Let's do the timewarp
Zeit, die zeit ist es ... Klassischerweise ist sie im urlaub, beim reisen immer zu knapp. Und dann gibt's da immer wieder momente, da fühlt man sich aus der zeit gehoben. Oder man wird gar in längst vergangene zeiten versetzt ... Und das alles an einem tag!
Aufwachen ... Kurz um mich blicken ... Tini murmelt etwas von sonnenaufgang ... Das ist noch zu früh ... Höre gerade noch, wie sie sich mit der kamera auf den weg macht, drehe mich um, schlafe weiter ...
Aufwachen ... Die sonne heizt nicht unangenehm auf uns runter ...Trotz des harten schlafplatzes fühl ich mich erstaunlich wohl ... Von ausgeschlafen kann allerdings keine rede sein ... Dazu ist es eindeutig noch zu früh. Stefan und Tini scheinen aber schon länger munter zu sein ...
Und ein blick auf das tiefblaue meer, das sich vor unserer einsamen bucht erstreckt, den ebensoblauen himmel, das entschädigt dann natürlich für einiges. Das meer plätschert leise an die steine, eine ganz sanfte brise streift umher und die in der felswand rechts von unserem lager nistenden vögel zwitschern ... Wahnsinn ...
Aufwachen ... Nach einer viertelstunde scheint mein körper in der lage, dem munteren gehirn zu folgen. Jetzt muss erstmal ein kaffee her. Gut, dass wir gestern die odyssee nach der gaskartusche auf uns genommen haben ... Schon bald dampft und brodelt das wasser über der flamme.
Den heissen kaffee in den bechern werden zigaretten geraucht, füße baumeln im meer, die konversation besteht hauptsächlich aus zufriedenen grunzlauten und zwischendurch den geräuschen der mechanik unserer fotoapparate ... Paradiesisch ...
Ein paar Nebenmissionen ergeben sich für den tag: Frischen instantkaffee besorgen, für den fall, dass wir nochmal am strand schlafen, sandalen, da mein schuhwerk eindeutig zu warm für dieses klima ist, dann die obligatorischen t-shirts und ebensolchen kühlschrankmagneten, sowie last but not least eine geldbörse für mich, eine mission, die seit Dublin zum scheitern verurteilt war, aber eigentlich die dringenste ist, weil ich mein kleingeld immer öfter auf diversen fussböden verstreue.
Irgendwann wird's dann aber doch zeit, aufzubrechen, es gibt ja noch so viel zu sehen. Man fragt an dieser stelle nicht wieder warum. Nein, aus! Denn warum wir das paradies verlassen, um verschwitzt weiter durch die gegend zu kurven, wird sich ohnehin nicht schlüssig beantworten lassen. Wir wollen einfach. Nur weil sich nicht schlüssig erklären lässt, warum, bedeutet es nicht, dass es nicht zulässig wäre.
Nun wird erstmal ein frühstück angestrebt, so ein schlaf unter freiem himmel macht hungrig. Aber das ist natürlich nicht so einfach. Der erste laden, noch in Marsascala, der direkt am meer wäre, hat natürlich zu. Das heisst er hat irgendwie offen, nur halt noch nicht in frühstücklicher hinsicht. Hrmpf. Und dann kurven wir, ehe wir's uns versehen, schon wieder nahe Valletta durch die gegend, haben zwar schon mehr kilometer zurück gelegt, als am vortag insgesamt, irren aber doch mehr schlecht als recht unserem ziel, der anderen seite der insel, entgegen.
In Paola (gesprochen: Paula) geben wir uns geschlagen und Stefan fragt mal wieder einen einheimischen nach dem weg. Gelegentlich ist so etwas doch ganz sinnvoll. Letztlich schickt er uns in eine ganz andere richtung - wer weiss, wo wir sonst gelandet wären. So eine kleine insel, und so verwirrend. Das heisst, schlicht und ergreifend schlecht beschildert.
Ein kurzer stopp muss noch sein, da die straßen hier exzessiv für ein "Festa" geschmückt sind. Jede gemeinde Maltas veranstaltet dabei jeweils zum namenstag des schutzpatrons eine große feier. Riesige fahnen zieren dann die dächer, bunt gemusterte stoffe hängen quer über den gassen, mächtige laternen und bunte figuren werden aufgestellt - farben, gold und silber überall. So aufwändigen stadtschmuck habe ich lange nicht gesehen. Und darüber zur krönung der extrem blaue himmel.
Dementsprechend verlieren Tini und ich uns auch in einem fotorausch. Stefan wacht dankenswerter weise über das nicht ganz korrekt geparkte auto. Wie schon so oft an diesem wochenende geistert ein "wir haben einfach viel zu wenig zeit" durch meinen kopf.
Am weg zurück zum auto fallen wir noch in einen typisch südeuropäischen minishop, wo sich ein paar alte frauen und die verkäuferinnen lautstark unterhalten und viel gestikulieren. Was auf uns recht wild wirkt, scheint völlig friedlich zu sein, es wird auch viel gelacht. Verstehen kann man natürlich nichts, es wird Malti gesprochen - auch wenn die verkäuferin dann rasch auf Englisch switcht, wenn ich an der reihe bin. Witzigerweise werden aber auch ins gespräch der einheimischen englische wörter eingeflochten, zahlen zum beispiel, oder auch ein "thank you".
Stefan hat mittlerweile den reiseführer konsultiert und wir beschliessen, in Għar Lapsi, wieder am meer, frühstück und mittagessen zu kombinieren. Wir kurven durch die üblichen, holprigen straßen, fast alleine und natürlich immer zwischen mauern, mauern, mauern. S&M betreiben fleissigst documentación, immer wieder schnalzen die spiegel ihrer kameras. Einer von vielen gründen, warum ich die beiden einfach heiss liebe. Wobei's mich natürlich auch immer wieder in den fingern juckt. Andererseits, ich darf mal wieder autofahren, und das ist natürlich auch ein großes vergnügen, b'soffene Hottentotten hin oder her.
Dabei kommt immer wieder ein bissl galaktisches feeling auf, weil wir an orten wie Girgenti, Qrendi oder Wied iz-Żurrieq vorbei kommen, die allesamt namentlich ins Star Wars universum passen würden.
Ein paar serpentinen führen uns runter nach Għar Lapsi, immer näher zum verführerisch blauen wasser an einer spektakulären felsküste. Aber ehe wir das alles auskundschaften, müssen mal unsere mägen gefüllt werden, mittlerweise ist der hunger nicht mehr vernachlässigbar.
Zwei lokale stehen zur auswahl, wir entscheiden uns für das "Blue Creek", das zwar etwas snobistischer und deutlich teurer wirkt, aber halt näher am meer liegt. Und, es ist ja urlaub, da gönnt man sich schon mal was. Das innere des restaurants wirkt nach biederer kreuzschiffatmosphäre, kühl und fad, aber beim betreten der terrasse ...
... muss ich unwillkürlich mit meinem atheismus hadern ... Irgendwer da oben scheint uns schon sehr lieb zu haben ... Ein wunderbares erlebnis jagt das andere - von unserer freundschaft ganz zu schweigen - und dann dieser herrliche ausblick, über die felsen, die schäumenden wellen, das kristallklare, in allen möglichen spielarten der farbe blau schimmernde wasser ... Und uns ganz alleine gehört dies für ein paar momente ...
Obwohl wir mit unseren t-shirts und kurzen hosen so gar nicht ins ambiente des lokals passen, werden wir freundlich vom kellner empfangen und dürfen ohne große umstände unsere akkus aufladen. Kaffee, fürs frühstück, burger und fischplatte, fürs mittagessen, sind sogleich geordert, dann wird ausgiebig der wundervollen stimmung gehuldigt, also gegrunzt, geseufzt, gegrinst, bis die gesichtsmuskulatur schmerzt.
Die mahlzeit ist dann nicht minder köstlich, große, saftige burger für Tini und mich, mit sehr leckeren pommes und eine fischplatte mit allen möglichen gustostückerln von fisch, wurst und käse für Stefan. Eine kleine schlemmerorgie nach dem ebenso guten kaffee und sehr süffigem bier. Dreissig Euro sind für alles zusammen, erst recht in verbindung mit der großartigen location, mehr als vertretbar.
Am dunstigen horizont liegt die insel Filfla, ehemals übungsgelände der Royal Air Force und der Royal Navy, mittlerweile sperrgebiet und vogelschutzreservat. Einerseits, um die dort lebenden tiere nicht zu stören, andererseits, weil viele der raketen nicht explodiert und dementsprechend gefährlich sind. Eine legende wiederum besagt, dass dort auch chemische waffen getestet wurden und es zu einer mutation der dort lebenden eidechse kam und diese nun mit zwei schwänzen ausgestattet wäre ...
Aber auch dieses paradies vermag uns nicht zu halten, entdecker, wie wir sind, und so wenig zeit, wie uns bleibt, zieht es uns ein paar postkarten später weiter, hinunter, zu diesen spektakulären felsen und dem traumhaften meer.
Allerdings bleiben wir brav hinter der linse, drei stumme gestalten mit ihren fotoapparaten und der dazugehörigen geräuschkulisse, auf der jagd nach den brandenden wellen, der weiss spritzenden gischt vor dem tiefblauen wasser, sich völlig einig darüber, wie wunderbar es hier ist, jeden moment auf unsere ganz eigene art auskostend. Zufriedengestellt nur vom anblick, der möglichkeit, hier sein zu können, alles hautnah zu erleben. Grade bei uns fotobegeisterten erfährt die redensart "das auge isst mit" wohl eine viel umfangreichere bedeutung ...
Am weg zum auto greifen wir uns noch schnell die mittlerweile auch gesättigten akkus, nutzen die - im übrigen auf ganz Malta sehr sauberen - sanitären anlagen und fahren weiter. Weit kommen wir allerdings nicht. Siġġiewi (gesprochen: Sidschiewi), ein stückchen im inselinneren gelegen, gefällt uns auf anhieb, so dass wir uns genötigt sehen, ein bierchen zu trinken.
Am großen, L-förmigen platz im zentrum blühen die bäumchen, es ist still, nur wenige autos und menschen sind unterwegs. Zwei kleine sowie eine große Kirche bilden ein dreieck an den seiten des platzes. In der mitte steht in strahlendem weiss die obligatorische heiligenstatue, die sich kitschig vor dem blauen himmel abhebt. Um die imposante pfarrkirche, deren fassade wie überall auf Malta auch mit unzähligen bunten glühlampen überzogen ist, gruppieren sich ein paar lokale mit einlandenden namen wie "Friends for all" oder "Aussie take away" - was touristischer klingt als es ist. Man darf den britischen einfluss nicht unterschätzen. Und jetzt im Mai ist zudem noch nicht viel los.
Wir wählen das "Ferdinand's", weniger wegen des leicht österreichisch klingenden namens, als weil man dort im freien sitzen kann, ordern ein runde "Cisk", hiesiges bier und amüsieren uns königlich über irgendwelchen nonsense, die dazu servierten kracker mit fischpaste knabbernd.
Aber wir hab'n ja keine zeit, sie fliesst gnadenlos dahin. Wir wollen noch unbedingt die berühmten Dingli Cliffs sehen und hätten eigentlich auch die insel Gozo im norden Maltas als quartier für die kommende nacht im sinn ...
Nicht ohne zahlreiche fotostopps, unter anderem auch bei einem unspektakulären steinbruch mit wütenden wachhunden, finden wir uns hunderte meter über dem meer wieder. Und da wird einem auch so richtig die größe - oder eher winzigkeit - der insel bewusst, denn in fast allen richtungen ist das meer zu sehen, und zwar nicht gerade weit entfernt. Unglaublich, wie viel es hier trotzdem zu entdecken gibt ...
Wir haben unser etappenziel aber noch nicht erreicht. Zwar geht's hier schon recht steil runter, aber von senkrecht abfallenden klippen kann nicht die rede sein. Beeindruckt sind wir trotzdem, weil's wunderschön ist und doch sehr, sehr weit nach unten geht.
Leider, ich muss gestehen, wir haben die Dingli Cliffs auch nachher nicht wirklich gefunden. Zwar kurven wir noch rum, versuchen aus unseren reiseführern schlau zu werden, scheinen aber den optimalen zugang zu verpassen und müssen uns dann wegen zeitmangels mit einem entfernten blick auf sie zufrieden geben. Das war zum x-ten mal die lektion, sich vorher ausreichend schlau zu machen, wie man einen ort erreicht und dann nicht so sehr zu hudeln ... Na ja, wir sind ja noch jung.
Spät ist's aber trotzdem schon. Deswegen lassen wir die ortschaft Dingli links liegen und machen in Rabat auch nur halt, um ein paar fotos zu machen. Grade Rabat wär's aber wohl auf jeden fall wert, beim nächsten mal eine längere pause einzulegen.
Erst Mdina (gesprochen: Imdina), das sich zentral im norden der insel befindet, wollen wir uns wieder genauer anschauen, zumal es zeit für eine kaffeepause wird. Ins zentrum kommt man hier nicht mit dem auto, innerhalb der mächtigen stadtmauern sind nur fussgänger erlaubt. Also begeben wir uns per pedes rein.
Schon beim stadttor bleiben wir perplex stehen. Nicht nur, dass dort ein kamel im schatten eines baumes liegt, durch das tor kommen auch unzählige menschen, die einer längst vergangenen epoche entsprungen zu sein scheinen. Zusammen mit den riesigen stadtmauern wirkt das bild total stimmig, ein genialer anblick.
Dass dazwischen immer wieder typen mit kopfhöreren, walkie-talkie und megaphon laufen, stört nur wenig. Rundherum stehen natürlich auch die ganzen lkws einer filmproduktion. Wir sind begeistert, so etwas erlebt man doch nicht alle tage, auch wenn die insel ja berühmt dafür ist, dass sie oft für großproduktionen als kulisse genutzt wird.
Ein paar der statisten posieren auch für uns - unglaublich, wieviel diese verkleidung ausmacht. Für laien wie uns wirken diese leute dadurch wirklich so, als würden sie aus dieser zeit stammen, die gesichter und frisuren scheinen hervorragend zu passen ...
Und auch drinnen geht's rund, ganze teile der altstadt sind für die dreharbeiten gesperrt, noch mehr auf "alt" hergerichtet, als sie ohnehin schon von alleine wirkt. In den gassen wurde erde und sand über die steinplatten verteilt, moderne elemente wie laternen mit stoffen verhängt und dazwischen tummeln sich all die statisten.
Mit einem von ihnen komme ich auch ins gespräch, und er erklärt, dass es sich um eine spanische produktion handelt, die im herbst 2009 in die kinos kommen wird. Es handelt sich um den film "Agora" von regisseur Alejandro Amenábar, der auch "The Others" (2001) mit Nicole Kidman drehte. Manchmal wären tausende statisten am set, und es gäbe neben der konstruktion bei Marsaxlokk (gesprochen: Marsaschlokk), die wir tags zuvor gesehen haben, auch noch eine viel größere weiter im norden.
Wir können uns kaum sattsehen und reissen uns nur mit mühe los, um ein bissl durch die gassen zu wandern. Hier begegnen uns schon mehr touristen, auch wenn dennoch nicht wirklich viel los ist. Alles ist sehr sauber und aufgeräumt, fast schon ein bissl steril - was auch durch die eindeutig auf touristen ausgelegten lokale und geschäfte verstärkt wird.
Die kathedrale suchen wir noch auf, wenigstens einen sakralbau sollte man auch von innen gesehen haben. Wir sind alle drei nicht so die freunde von kirchen und tempeln - und sind auch nicht ganz alleine mit dem motto "hat man eine gesehen, kennt man alle", selbst wenn das natürlich nicht immer zutrifft. Durch die vielen roten stoffe an der wand schaut es ein bissl puffig aus, ansonsten ist sie natürlich überladen wie die meisten katholischen kirchen. Sorry, ich weiss, das ist nicht viel, aber mehr vermag ich darüber einfach nicht zu berichten ...
Am platz davor wollen wir in ruhe eine zigarette rauchen, werden dann aber vom richtig penetranten gebimmel der zur messe rufenden glocken vertrieben.
Auch wenn Mdina sehr nett ist, so richtig in seinen bann ziehen kann uns der ort nicht. Wir erstehen nur rasch ein paar souvenirs und ein eis - das muss einfach sein - und machen uns wieder auf die socken. Zwar ist der fährhafen nach Gozo nicht mehr weit entfernt, aber der abend kommt und nachdem wir wieder im freien schlafen wollen, sollten wir noch vor einbruch der dunkelheit ankommen. Und unsere morgendlich gestellten nebenmissionen sind auch noch alle offen.
Wir fahren zügig weiter nach San Pawl il-Baħar (gesprochen "San Paul il Bahhar"), um dort t-shirts und verpflegung für die nacht zu besorgen und die fähre nach Gozo zu nehmen. Das städtchen wirkt etwas ernüchternd, ist mehr auf tourismus ausgelegt, ein geschäft mit badesachen reiht sich an das nächste, hässliche hotel- und appartementburgen prägen das stadtbild. Und die zeit läuft uns davon, so empfinde es zumindest ich. Zwar ist alles weiterhin wunderbar, und auch unser tempo gefällt mir, aber die zeit ist halt unerbittlich.
Es geht einmal den ganzen hafen entlang ohne die anlegestelle der fähre zu finden und dann nochmal rund um die stadt, ehe wir beschliessen, einfach mal zu parken, einzukaufen und dann zum hauptfährhafen bei Ċirkewwa (gesprochen Tschirkeoua) zu fahren, um nach Gozo überzusetzen. Seltsamerweise sind wir alle ein bissl still - wohl auch erledigt von den ganzen aktivitäten und der ohne unterlass auf unsere häupter brennenden sonne ...
Natürlich erwischen wir genau ein eck, an dem grade mal drei geschäfte sind, die nur ramsch anbieten - noch schlimmeren, als den, den wir eh bereit wären zu kaufen -, dann ist die einkaufszeile auch schon vorbei.
Die sonne steht schon tief und taucht alles in ein wunderbares licht, hässliche häuserfronten hin oder her, es ist ja immer noch das meer da. Und da wir in Mdina trocken blieben: Ein bier wäre jetzt wirklich fein. Ehe wir aber wieder zeit bei der suche nach einem lokal verlieren, besorgen wir uns rasch ein paar dosen unterschiedlicher biere und eine schachtel herrlicher oliven in einem kleinen supermarkt, der zwar groß anpreist, immer frisches brot zu haben, aber nun natürlich gar nichts mehr in den regalen hat.
Auf felsen im hafen lassen wir uns zwecks olivenbierzigarettengenuss nieder und beraten unser weiteres vorgehen. Relativ schnell kommen wir überein, dass es wahrscheinlich vernünftiger ist, Gozo auszulassen und uns statt dessen am "fischschwanz" Maltas, auf Marfa Ridge, eine nette bucht zu suchen, ehe es dunkel wird und wir uns nur mehr stressen müssen.
Gleich um einiges entspannter, beobachten wir einen fischer, der sich damit abmüht, eine zwar sehr kleine, aber anscheinend sehr bissige muräne in einen kübel mit wasser zu bugsieren, der ansonsten noch recht leer ist. Sehr geschickt scheint er ja nicht zu sein - und so verschwindet er auch bald, um es in einiger entfernung weiter zu versuchen.
In Mellieha finden wir einen kleinen laden, der alles hat, was wir zum übernachten brauchen. Stefan und ich verfallen einem kleinen kaufrausch und kaufen kerzen, kaffee, einen halben kilo zucker, massenweise bier, wasser und bohnen fürs abendessen. Wir sind alle wieder deutlich lockerer, freuen uns auf das bevorstehende abenteuer. Klar ist's schade, dass aus Gozo nix wird, aber ich denke, unser plan, wiederzukommen, ist recht fix, und dann ist's noch immer nicht zu spät. Das ist ja auch das schöne an diesen kurzen trips, es bleibt immer noch viel zu entdecken.
Am weg zum potentiellen strand schnupfen wir noch rasch den "Red Tower", eigentlich "St. Agathe's Tower", der sich unübersehbar auf einem hügel von Marfas Ridge erhebt. Ein wuchtiges gebäude, bei dem man einen grandiosen ausblick auf die inseln Gozo und Comino hat.
Nach einer raschen fotosession düsen wir auch schon dem nordöstlichen ende der halbinsel entgegen, es wird nun wirklich zeit, dass wir uns auf die suche nach dem schlafplatz konzentrieren. Man kann sich halt nicht alles ansehen, muss ich mir seufzend immer wieder eingestehen.
Bei einem herrlichem sonnenuntergang erreichen wir die küste von Marfa Ridge. Wir haben ein paar Wege zum strand ausprobiert, sind aber immer in ortschaften gelandet, was eher ungeeignet fürs übernachten war. Und jetzt stapfen wir durch eine felsige mondlandschaft, während sich die sonne immer mehr dem meer nähert, die fähren und Gozo in goldenes licht tauchend. So wunderschön der anblick auch ist, es ist ziemlich windig und ich bin ein bissl ungeduldig, weil ich doch noch ganz gerne vor einbruch der dunkelheit unser nachtlager aufschlagen würde ...
Also zurück zum auto, noch ein wenig die straße entlangholpern ... Nun versuchen wir auf der südöstlichen küste der halbinsel unser glück, bei Dahlet ix-Xilep, parken das auto am straßenrand und gehen durch ein ziemlich zugemülltes wäldchen zum meer. Denken wir uns zumindest. Überrascht stellen wir dann erstmal fest, dass wir doch recht hoch oben sind, steile klippen trennen uns vom wasser. Von irgendwoher dröhnt ein generator, und offensichtlich ist in der nähe, wenn auch durch die bäume verdeckt, eine gruppe recht ordentlich am feiern.
Sehr zu meiner überraschung schlägt Stefan vor, dass wir doch eigentlich auch hier bleiben könnten. Ganz kurz sträubt sich in mir einiges dagegen, andererseits - es ist schon fast dunkel, und ehe wir noch ewig weiter suchen ... Und dann vielleicht doch wieder zurück kehren ... Er hat wieder einmal recht.
Ausserdem, so ungemütlich ist es hier nicht. Die bäume schirmen uns gegen wind und morgensonne ab, der ausblick über die bucht nach Mellieha ist bei nacht sogar recht hübsch, wenn die lichter rüberfunkeln. Selbst eine feuerstelle ist hier - hoffentlich ohne explodierende steine. Was will man mehr?
Noch mehr überrascht bin ich also, als binnen kurzem alles klar ist, wir wie ein eingespieltes team unser lager einrichten, feuerholz sammeln und die nähere umgebung von unrat befreien. Wobei, überraschung ist das falsche wort, denn dass wir drei hervorragend miteinander auskommen, war eigentlich eh von vorneherein klar. Ich geniess' es einfach, weil es doch etwas ganz, ganz bsondriges ist.
Feuerholz. Man sollte ja denken, dass dergleichen in einem wäldchen leichter aufzutreiben sein sollte als am vorabend in der trockenen steppe. Mitnichten. Stefan und ich streifen kaum beute machend durchs gehölz. Andererseits ist's eigentlich klar, so viele feuerstellen wie hier sind, da muss ja längst alles verbraucht sein.
Aber - wir müssen nur wollen (wie die dressierten affen), dann klappt's auch mit dem nachbarn. Jedenfalls stolpere ich dann im bereits ein bissl düsteren wäldchen, übersät mit zerissenen spinnweben und rindenstückchen, hunderte kilometer vom sicheren lager entfernt, über einen abgestorbenen, vertrockneten baum, den ich mit aller kraft fälle. Gut, es ist nur ein bäumchen, aber es liefert dann doch eine menge holz. Zerkratzt und staubig schleife ich das - bekanntlich geniale - holz zurück. Jetzt will ich eigentlich nur mehr ein bier. Bloß so.
Rasch haben wir gemeinsam alles gefundene holz auf mund- bzw feuerstellengerechte häppchen zerkleinert, um endlich zum chillen überzugehen. Flugs die laptops ausgepackt und die fotos überspielt, den gaskocher aufgestellt, um die bohnen zu wärmen. Ein gar seltsames szenario bietet sich mir dar, mit dieser mischung aus hightech und dann doch wieder mitten im nowhere (so man das im dichtest besiedelten land europas sagen kann), das hat schon was.
Vor allem wenn man dann mangels anderem geschirr zu dritt aus dem topf die bohnen löffelt. Das verbindet - nicht bloß aufgrund der zu erwartenden ausdünstungen. Und wie gut so ein einfaches mahl unter freiem himmel sein kann. Allerhöchster genuss ist es, die heissen bohnen zu schaufeln, das zufriedene grinsen auf den gesichtern von Stefan und Tini vor mir. Einfach nur herrlich ...
Heute muss das mit dem feuer aber funktionieren. Stefan übernimmt wieder die rolle des feuermeisters und bald starren wir nur mehr leeren blickes in die zappelnden flammen. Ich muss es noch steigern. Unter uns das meer, gegenüber das funkeln von Mellieha, über uns die Sterne, um uns eine laue brise, in unserer mitte das knisternde feuer, das alles im kreise allerliebster freunde, fast scheint die zeit für einige momente stillzustehen ... Das ist eigentlich schon fast ein paar glückstränen wert ...
Wir wechseln uns beim füttern des feuers ab, reden ein wenig, aber schweigen vor allem viel und behaglich ... Noch sowas absolut wunderbares ...
Später dann, wir können das feuer schon erstaunlich lange am leben erhalten, kommen wir ein bissl in die experimentierphase - und testen den brennwert von kartoffelchips. Der, quod erat demonstrandum, sehr hoch ist. Hell und ganz speziell werden die flammen, solcherart gefüttert - kein wunder bei all dem fett.
Und wir machen eine bahnbrechende erkenntnis: Der große unterschied zwischen mädchen und buben sind nicht nur primäre und sonstige geschlechstorgane, sondern einfach auch der, dass die jungs schon mal alles versuchsweise angezündet haben. Denn auf Tinis frage, wie sich wohl Soletti im feuer verhalten, können Stefan und ich gleichzeitig antworten: "Es stinkt!"
Effizient wie wir sind, bleibt schliesslich keinerlei holz übrig, bis auf einen ast des angeschleppten bäumchens. Langsam verbrennen die letzten ästchen, und das auch noch zu einer optimalen zeit - das bier ist aus, die meisten chips sind verbrannt, und so bleiben uns noch gute sechs stunden, bis uns die sonne aus dem schlaf reissen wird.
Der fast volle mond leuchtet hinter einer ansammlung großer kaktussis hervor, die sterne funkeln nun intensiver, da von unserem feuer nur mehr die glut da ist und nur mehr die in Mellieha erstandenen friedhofskerzen flackern ... Dass der generator von nebenan noch brüllt und die feiernde meute kaum leiser geworden ist, lassen wir mal geflissentlich beiseite ... Das entschlummern fällt unter solchen bedingungen jedenfalls nicht schwer ... Kinder, schön isses ...
Stephan